Wir tragen viele Masken

Beim Frauenfrühstück der Nikolai-Gemeinde in Rinteln war Dr. Margot Kempf-Synofzik, eine Ärztin aus Bremen, zu Gast. Sie referierte zum Thema „Wir tragen viele Masken“.

Was verbirgt sich hinter den Rollen, die wir spielen? Was verbirgt sich hinter den Masken aus Freundlichkeit, Coolness, Lächeln und Beherrschtsein? Was ist unser „wahres Ich“? Sind wir dann demaskiert, „erwischt“, bloßgestellt?

Oder geschieht ein Ehrlichwerden, ein Aufatmen – etwa so, wie es in dem Brief eines unbekannten Studenten in den 70er Jahren dargestellt wurde:

Bitte höre, was ich nicht sage…. Lass Dich nicht durch mein Gesicht täuschen, das ich mache. Denn ich trage Masken. Masken, die ich fürchte abzulegen….. So tun, als ob, ist eine Kunst, die mir zur zweiten Natur wurde…. Mein Äußeres mag sicher erscheinen, aber es ist meine Maske. Darunter bin ich, wie ich wirklich bin: verwirrt, in Furcht und – allein. Aber ich verberge das…. Ich habe Angst, dass ich tief drinnen in mir selbst nichts bin, nichts wert, und dass Du das siehst und mich abweisen wirst. So spiele ich mein Spiel, mein verzweifeltes Spiel: eine sichere Fassade außen und ein zitterndes Kind innen. Ich rede daher im gängigen Ton oberflächlichen Geschwätzes….Ich verabscheue dieses Versteckspiel, das ich da aufführe. … Nur Du kannst mich zum Leben rufen. Jedesmal, wenn Du freundlich und gut bist und mir Mut machst, jedesmal, wenn Du zu verstehen suchst, weil Du Dich wirklich um mich sorgst, bekommt mein Herz Flügel, sehr kleine Flügel, sehr brüchige Schwingen, aber Flügel!…. Ich möchte, dass Du das weißt. Ich möchte, dass Du weißt, wie wichtig Du für mich bist, wie sehr Du aus mir den Menschen machen kannst, der ich wirklich bin, wenn Du willst…. Du allein kannst die Wand niederreißen, hinter der ich zittere…..Ich wehre mich gegen das, wonach ich schreie. Aber man hat mir gesagt, dass Liebe stärker sei als jeder Schutzwall, und darauf hoffe ich.

Ja, wir Menschen haben Sehnsucht nach einem „wissenden Blick“, wir haben Sehnsucht, dass wir in unserem Versteckspiel entdeckt und daraus befreit werden. Manchmal muss man lange buddeln,um den Menschen, so, wie er wirklich ist, mit seiner Grandiosität und seinen Tragödien, zu verstehen.

Der Theologe Kurt Marti bittet, dass er einen „wissenden Blick“ bekommt, im Gegner den Bruder, im Süchtigen den Sehnsüchtigen, im Störer den Bettler zu finden.

Es gibt mutige Geständnisse, die das Leben verändern können. Es gibt viele Hemmungen, die unseren Beziehungen Tiefe und
Echtheit vorenthalten. Es gibt viele Blockaden, die einen Menschen hindern, das zu entfalten was in ihm steckt.

Wer möchte nicht von Liebe, von einem „wissenden Blick“ berührt werden – endlich aufhören mit Versteckspielen und Maskerade – endlich befreit aus der Angst, man könnte entdeckt werden!

Zu welchen Gästen gehöre ich?

Irgendwo sollte Hochzeit gefeiert werden. Die Brautleute hatten nicht viel Geld, aber dennoch waren sie der Meinung, dass viele Menschen mitfeiern sollten. Geteilte Freude ist doppelte Freude, dachten sie. Es sollte ein großes Fest werden, beschlossen sie, mit
vielen Gästen. Denn warum sollte unsere Freude nicht ansteckend sein, fragten sie sich. Es herrschte unter den Menschen ohnhein mehr Leid als Freude.

Also baten sie die Eingeladenen, je eine Flasche Wein mitzubringen. Am Eingang würde ein großes Fass stehen, in das sie ihren
Wein gießen konnten; und so sollte jeder die Gabe des anderen trinken und jeder mit jedem froh und ausgelassen sein.

Als nun das Fest eröffnet wurde, liefen die Kellner zu dem Fass und schöpften mit großen Löffeln daraus. Doch wie groß war das Erschrecken aller, als sie merkten, dass es nur Wasser war. Versteinert saßen sie da, als ihnen bewußt wurde, dass eben jeder gedacht hatte: Die eine Flasche Wasser, die ich hineingieße, wie niemand bemerken oder schmecken. Nun aber wußten sie, dass alle so gedacht hatten.

Jeder von ihnen war davon ausgegangen: Heute will ich mal auf Kosten der anderen feiern. Ein schlechtes Gewissen und Scham packte alle, nicht nur, weil es ledigich Wasser zu trinken gab. Als um Mitternacht das Flötenspiel verstummte, gingen alle schweigend nach hause, und jeder wußte: das Fest hatte nicht stattgefunden.

Dies ist ein bekannte chinesische Parabel. Sie geht mir nah. Ich frage mich manchmal: Habe ich dazu beigetragen, dass aus diesem Fest etwas wird, dass diese Begegnung gelingt? Habe ich alles Mögliche eingebracht, damit in meiner Familie, in meinem Verein, in meiner Kirchengemeinde das bunte, pralle Leben ist? Habe ich meinen Beitrag geleistet, damit wir in dieser Gesellschaft nicht ständig beim Jammern hängen bleiben, sondern mutige Schritte nach vorn wagen, Hoffnung aufblitzen lassen? Habe ich in meiner Ehe versucht, das Feuer der Liebe in Gang zu halten, damit es nicht vom Staub des Alltags ausgelöscht wird?

Alles, was ich von mir selbst vorenthalte, dass wird der Gemeinschaft, in der ich mich bewege, an Lebendigkeit fehlen. Ein enormer Anspruch! Ich bin verantwortlich, damit aus dem Leben um mich herum etwas wird, damit es gelingt! – Und wir können es gar nicht oft genug weitersagen, was John F. kennedy damals forderte: „Frag nicht immer, was der Staat für dich tun kann. Frag, was du für den Staat tun kannst!“ Frag, was du für deine Kirchengemeinde, für dein Dorf, für deinen Verein, für deine Familie tun kannst, damit es läuft, damit was daraus wird!!

Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein

Dieses Lied von Reinhard Mey ist über 30 Jahre alt. Immer, wenn ich es höre, bringt es in mir etwas zum Schwingen. Es rührt die uralte Sehnsucht des Menschen nach Freiheit an.

Das, was mich unter Druck setzt und beschlagnahmt, das kann ich nicht abschaffen. Aber wie ich darauf reagiere, das hat ganz viel mit meiner inneren Einstellung zu tun, damit, ob ich innerlich frei bin oder nicht.

Dass Menschen ihre Erwartungen haben, dass sie mir manchmal, mehr als mir lieb ist, auf die Pelle rücken, das kann ich nicht ändern – aber wie weit ich darauf eingehe oder nicht eingehe, das hat etwas mit meiner inneren Freiheit oder Unfreiheit zu tun.

Wie ist das mit Liebe und Freiheit? Wie ist das, wenn ich an die Grenzen des Lebens stoße, wenn es schwer wird? Gibt es in allem, was um mich herum tobt, einen Freiraum, wo ich sagen kann: „Bis hierher und nicht weiter!“

Im Galaterbrief heißt es: „Zur Freiheit hat euch Christus berufen!“ – Wie gelingt es, diese Freiheit zu entdecken und zu leben? – Zu allen Zeiten sind Menschen für die Freiheit auf die Straße gegangen, haben dafür
gekämpft – und wir?

Wo ist der Ort, wo Himmel und Erde sich berühren?

Wahrscheinlich kennt das jeder Mensch: Wir sind auf der Suche nach der Weite in unserer Enge, nach der Ewigkeit in unserer Zeit, nach der Vollkommenheit in unseren Fragmenten, nach einer Heimat in unserer Ruhelosigkeit, nach einer Liebe, die hält, was sie verspricht.

Wo finden wir das?

Es waren einmal zwei Mönche, die lasen miteinander in einem alten Buch. Am Ende der Welt sollte es einen Ort geben, an dem der Himmel und die Erde sich berühren. Sie beschlossen, diesen Ort zu suchen und eher umzukehren, bis sie ihn gefunden hätten. Sie zogen durch die Welt, nahmen viele Strapazen auf sich und ließen sich von niemand und nichts von ihrem Ziel abhalten.

Eine Tür sei dort, so hatten sie gelesen. Man brauche nur anzuklopfen und befinde sich bei Gott. Schließlich fanden sie, was sie suchten, sie klopften an die Tür, bebeneden Herzens warteten sie, bis sie sich öffnete – und als sie eintraten standen sie zu Hause in ihrer
Klosterzelle. Da begriffen sie: Der Ort, an dem Himmel und Erde sich berühren, befindet sich auf dieser Erde, an der Stelle, die Gott uns
zugewiesen hat.

Diese Geschichte ist wunderschön.

Bei mir zuhause kann ich das finden, was ich suche. Wenn der Himmel über mir zum Himmel in mir wird – dann kann ich das Alltägliche zu etwas Besonderem machen, dann kann ich es hell machen, wo es vorher düster war, dann muss nicht alles so bleiben, wie es ist, es sind Veränderungen möglich.

Peter Horton hat gesungen: „Wenn du in dir selber nicht zuhause bist, bist du nirgendwo zuhaus!“ – Aber wenn ich mit mir selbst und mit Gott überein bin, dann wird erstaunliches möglich – an dem Platz, an den ich gestellt bin!

Prinzip Hängematte

Eine Hängematte ist etwas Schönes. Man kann so herrlich darin schaukeln und das Leben genießen. Wem würde das nicht gefallen.

Aber was für den einen ein Genuss ist, das wird für den (die) anderen im Laufe der Zeit zu einer schweren Last. Wie lange werden die, die eine Hängematte halten, das durchstehen?

Denken Sie mal an eine Familie. Der Idealfall wäre, dass einer den anderen trägt, wenn es drauf ankommt. Wenn jemand eine schwere Zeit durchmacht, wenn einer krank ist, dann müssen die anderen ihm da durchhelfen. Natürlich.

Was ist aber, wenn in einer Familie ständig jemand in der Hängematte geschaukelt, sprich versorgt und verwöhnt werden möchte – und ein anderer trägt ziemlich allein die ganze Last? Die einen stehen kurz vorm Kollaps, während die anderen unselbstständig werden, ein Macho-Gehabe entwickeln.

Das Prinzip Hängematte kennen wir auch in Vereinen. In jedem Verein gibt es den harten Kern, der dafür sorgt, dass alles läuft. Das sind Menschen, die mit Begeisterung bei der Sache sind. Sie lassen sich einiges gefallen, damit etwas bewegt wird. „Wir werden die Sache schon schaukeln“, mit diesem Vorsatz, mit diesem Credo treten sie an.

Was auf Dauer frustriert, das ist in der Regel gar nicht die Arbeit, sondern das sind die Mitglieder, die sich genüsslich auf ihrem Sofa
zurücklehnen – so unter dem Motto: „Nun lasst euch mal was Tolles einfallen, vielleicht komme ich auch mal vorbei“. In jedem Verein gibt
es Menschen, die alles besser wissen, aber nie bereit sind, selbst Verantwortung zu übernehmen. Es wird kritisiert und genörgelt, aber an
Lob und konstruktiven Vorschlägen wird gespart. Das macht auf Dauer müde und raubt jeden Enthusiasmus!

Das Prinzip Hängematte gibt es auch im Staat. Das gibt es überall, wo Menschen zusammen leben. Natürlich müssen Schwache getragen werden, wenn es drauf ankommt. Aber wenn immer mehr Menschen in eine passive Rolle flüchten, wenn immer mehr die Hand aufhalten, wenn sich immer weniger verantwortlich fühlen für das Ganze, dann kommt jedes soziale Gefüge über kurz oder lang in eine Schieflage.

Von John F. Kennedy stammt der Satz: „Lasst uns nicht immer nur fragen, was der Staat für uns tun kann. Lasst uns fragen, was wir für den Staat tun können!“

Wenn wir das in andere Bereiche übersetzen, dann sind wir auf der richtigen Fährte:

Lasst uns nicht immer nur fragen, was der Verein für uns tun kann – was können wir für den Verein tun, damit es lebendiger wird in unseren Reihen?

Lasst uns nicht immer nur fragen, was die Kirche für uns tun kann – was können wir für die Kirche tun, damit da endlich ein frischer Wind weht?

Lasst uns nicht immer nur fragen, was der andere für uns tun kann – was können wir für den anderen tun, damit unsere Beziehung eine ganz andere Qualität bekommt?

Das sind Fragen, die die Welt verändern!

Ich sehe kein Land mehr

„Ich sehe kein Land mehr“… in Deiner Stimme lag etwas depressives, als Du das sagtest! – „Immer, wenn ich denke, es geht so langsam wieder aufwärts, dann kommt der nächste Dämpfer“.

Ja, da ist vieles, was Dir Deinen Optimismus und Deine Leichtigkeit genommen hat. In den letzten Jahren hat mancher Sturm an Dir gerüttelt. Es gab einiges, das Dich aus Deinem inneren Gleichgewicht gebracht hat.

Wie soll da Vertrauen ins Leben wachsen, wenn immer wieder etwas dazwischen knallt. Woher soll die Kraft kommen, immer wieder aufzustehen und weiter zu gehen?

„Ich sehe kein Land mehr“, das hat schon einmal jemand gesagt. Damals war die ganze Welt von Wasser überflutet. Die Menschen hatten keinerlei Zukunftsperspektive. Es war grauenvoll. Jegliche Lebensgrundlage schien vernichtet. Untergangsstimmung lag in der Luft.

Noah und seine Familie saßen in ihrer Arche. Und sie dachten mit gemischten Gefühlen an die Zukunft. Nüchtern betrachtet war ihre Lage aussiechtslos, hoffnungslos.

Und irgendwann flog eine Taube los und kam mit einem Ölzweig zurück. Es war wieder Land in Sicht! Auch, wenn Noah und seine Leute es selbst noch nicht sehen konnten, irgendwo musste Land sein!

Ich weiß nicht, wie der Ölzweig aussehen kann, den ich dir bringen könnte, um dir zu sagen: Es ist Land in Sicht – für Dich. Es lohnt sich.

Ich kann nicht in Dein Herz sehen, aber ich glaube, dass wir in aller Resignation, die uns bisweilen beschleicht, in einer Arche geborgen
sind.

Es ist Land in Sicht!

Weil ich es (mir) wert bin

Wer bestimmt meinen Wert? Ich selbst durch die Weise, wie ich im Innersten von mir denke? Die anderen durch ihre Beurteilungen? Die Gesellschaft mit ihrer In- und out-Liste, der Markt? Wird mein Wert an Tüchtigkeit, Attraktivität und Erfolg gemessen gemessen?

Das christliche Menschenbild sagt: Du bist wertvoll, weil Gott deinem Leben eine einzigartige Würde verliehen hat. Im Grundgesetz heißt es: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.

Was bedeutet das, wenn ich nichts stets auf neue meinen Wert beweisen muss – sondern weiß: Mein Wert steht fest, jenseits dessen, was ich zustande bringe“.

Weil ich so wertvoll bin, will ich nicht unter meinem Niveau leben, will ich entfalten, was in mir an Möglichkeiten und Potential steckt, will ich leben, was ich längst bin.

„Weil ich es (mir) wert bin“ ist eine Perspektive, die manches verändert.

Was nützt der schönste Koffer, wenn man nicht weiß, wohin die Reise geht?

Leben heißt unterwegs sein. Wir müssen immer wieder aufbrechen. Die alten Griechen haben gesagt: „panta rhei“, alles fließt. Das sicherste
im Leben ist wohl, dass sich ständig etwas verändert.

Was brauchen wir an „Reisegepäck“, um auf der einen Seite nicht belastet, überlastet zu sein mit viel zu viel – und um auf der anderen Seite gut ausgerüstet zu sein für das, was uns erwartet?

Wir nehmen das Kofferpacken als Bild für unser Nachdenken über das, was für unsere Lebensreise wichtig ist.

Man sieht nur mit dem Herzen gut

… das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar! Dieser bekannte Satz ist aus der Geschichte vom Kleinen Prinzen, geschrieben von dem
französischen Schriftsteller Antoine de Saint-Exupery.

Wir begegnen einer Geschichte voller Lebensweisheit und finden uns gut aufgehoben mit den Gefühlen und Gedanken, die jeder Mensch kennt. Es geht um Freunschaft und Liebe,  Sehnsucht und Eitelkeit, um Machtspielchen und den Umgang mit der Zeit.

Lassen Sie sich berühren von Gedanken, die die Welt verzaubert haben – Sie werden sich selbst darin wiederfinden.

Ein weihnachtlicher Mensch werden

Weihnachten hat in unserer Gesellschaft einen Stellenwert wie kein anderes Fest.

Wir suchen nach Frieden, nach Liebe, einem Stück heiler Welt, nach gelingenden Beziehungen, nach Hoffnung und Zärtlichkeit, nach innerer Kraft. – Und manchmal überfrachten wir die Weihnachtszeit mit unseren Erwartungen.

Es ist nicht automatisch heile Welt in unseren Familien, die Kinder verwandeln sich nicht in Engelchen, die Schwiegereltern auch nicht. Bei aller Mühe, die wir uns geben, die Zeit um Weihnachten besonders schön zu gestalten, verfallen wir manchmal in das „Weihnachtssyndrom“, sind viel empfindlicher, als in der übrigen Zeit des Jahres, haben nah am Wasser gebaut, erleben Überschwemmungen von sehr unterschiedlichen Gefühlen.

Wie kann es gelingen, dass wir die Kraft und den Glanz dieses Festes für uns selbst und unsere Lebensgestaltung entdecken. Nicht zuerst fragen: „Was kann (oder muss!!) ich alles tun?“, sondern zuerst fragen „Was hat dieses Fest mir zu geben – und den Menschen an meiner Seite?“