Der Friedhof als Lebensraum

Der Stiftsfriedhof in Fischbeck ist 200 Jahre alt. Dieses Jubiläum wurde mit einem umfangreichen Programm gefeiert. Ein Höhepunkt war die Einladung zum gemeinsamen Kaffeetrinken. Im Schatten eines stattlichen Baumes war die Kaffeetafel hübsch gedeckt. Über 100 Menschen waren gekommen zu Butterkuchen, Kaffee und Kuchen, zu stimmungsvollem Gesang der „Women in voice“ aus Hameln. Die Lieder brachten etwas zum Klingen!

Äbtissin Katrin Woitack stellte den Friedhof als „Lebensort“ vor. Ein parkähnlicher Ort, an dem es blüht, zwitschert und summt, an dem der Wechsel der Jahreszeiten erlebbar ist. Ein Ort des Friedens, für Erinnerungen, für Gefühle und Tränen. Ein Ort, an dem man sich gerne aufhält. Bänke laden zum Verweilen ein – wohl auch zu Gesprächen, wenn zwei spüren: „Du kennst das auch?“ – „Ja, ich kenne das auch.“ Astrid Lindgren sagt in „Ronja Räubertochter“: „Lange saßen sie zusammen und hatten es schwer. Aber sie hatten es gemeinsam schwer und das war ein Trost …..!“

Der Friedhof lebt. Er spricht von der Endlichkeit des Lebens und von der Hoffnung auf das, was über dieses Leben hinausreicht! Er ist ein Ort für Begegnungen!

Dankbarkeit ist das Gedächtnis des Herzens

St. Nikolai Rinteln, Dekoration und Foto: Ulrike Busch

Danke für das, was gewachsen ist in den Gärten und auf den Äckern. Danke für alles, was das Leben reich macht – und nicht selbstverständlich ist. Danke, dass mein Herz 100 000 Mal am Tag schlägt und die Hände ein Kunstwerk sind!

Danke für alles, was gelungen ist, was ich leisten konnte, für Momente des Glücks. Danke für wertvolle Menschen an meiner Seite, für die Erfahrung, dass ich bewahrt worden bin, für Fügungen, die mich staunen lassen und bereichernde Einsichten, die mir zufliegen.

Danke für einen wohltuenden Brief, für die Einladung zum Kaffee, für die einfühlsame Osteopathin, für Musik, Frieden, Freiheit und Freundschaft. Danke, das heißt: Ich ver-danke mich! Das wesentliche im Leben ist ein Geschenk. Landwirte mit all ihrem Wissen und Einsatz wissen, wie sehr sie abhängig sind vom Segen.

„Alle gute Gaben, alles, was wir sind und haben, kommt, o Gott, von dir. Hab du Dank dafür!“ So beten wir es als Tischgebet. Das Erntedankfest erinnert uns daran – und diese Erinnerung tut gut!

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„Dankbarkeit ist das Gedächtnis des Herzens“. (Jean-Baptiste Massillon, französischer Theologe und Bischof)

„Ich bin dann mal weg!“

„Ich bin dann mal weg!“ – Dieser Satz von Hape Kerkeling ist zum geflügelten Wort geworden. In diesem Sinne gönne ich mir hin und wieder kleine Auszeiten. Mal weg von Aufgaben und Verpflichtungen, von den vielen Nachrichten, die mich aus der großen und kleinen Welt erreichen.

Das Kloster Arenberg liegt bei Koblenz. Domikaner-Schwestern bieten eine wohltuende Mischung aus Stille, geistlichen Impulsen und Verwöhntwerden an. Eine wunderbare Erholung für Körper, Seele und Geist.

Im Gästebuch lese ich sinngemäß: „Ich gebe die Verantwortung für mein Leben und die Menschen an meiner Seite ab!“ – Das wünsche ich mir auch: Mal loslassen, alles und alle bei Gott gut aufgehoben wissen. Mittags ist eine halbe Stunde Zeit zur Meditation. Für eine halbe Stunde alle Gedanken wegschicken, leer werden, offen sein, sich beschenken lassen.

Gespräche tun gut und machen leichter. Du sitzt in der Sonne und liest. Du schwimmst, vertraust der Klagemauer deine Sorgen an oder genießt auf der Terrasse ein Glas Wein zum Sonnenuntergang. Danke!

Orte, die das Leben prägen

Beim Spaziergang durch Hamburg stehe ich vor der Hauptkirche St. Michaelis, von den Hamburgern liebevoll „Michel“ genannt. Ganz in der Nähe sind die berühmten Landungsbrücken. Die Seeleute konnten den Turm mit seinen 132 Metern schon von weitem erkennen und wussten: Wir sind zu Hause!

Der „Michel“ mit seinen 5 Orgeln, mit der geschwungenen barocken Empore und seinen vielen bewegenden Geschichten ist immer wieder einen Besuch wert. Er gehört zu den schönsten Kirchen Norddeutschlands. Hier fanden auch die Trauerfeiern von Heidi Kabel, Helmut Schmidt und Jan Fedder statt.

Was die Kirche für mich zu einem besonderen Ort macht, liegt viele Jahre zurück. Mein damaliger Arbeitskollege hatte mit einigen Jugendlichen Vortragsabende im Michel besucht. Begeistert erzählte er von dem Glauben, dass wir Menschen nicht allein im Leben unterwegs sein müssen, mit allem, was dazugehört. Wir sind aufgehoben beim Schöpfer und Vollender allen Lebens. Der schenkt Liebe, Freiheit, Mut, Halt, Zukunft ….

Dieser Glaube verbindet mich seitdem mit dem Kollegen von damals, der später mein Mann wurde und mit dem ich sehr glücklich bin. Es gibt besondere Orte, die uns geprägt und berührt haben. Der Michel in Hamburg ist solch ein Ort für mich.

Die glatte Seite und die raue Seite des Lebens

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Das-kleine-Kreuz-1.jpg

Beim Kirchentag in Köln habe ich eine freundliche, warmherzige Ordensschwester getroffen. Sie lächelte mich an und schenkte mir ein kleines Holzkreuz. – „Das Kreuz steht für alles, was wir im Leben zu tragen haben. Es hat eine glatte und eine raue Seite. Die glatte Seite steht für alles Schöne, für alles, was gelungen ist, für Freundschaften, die uns bereichern und Halt geben, für das Wunderbare, das wir von der Welt gesehen haben ….. Die raue Seite steht für das, was sich nicht so entwickelt hat, wie wir es uns gewünscht hatten. Sie steht für Handicaps, mit denen wir leben müssen, für alles, was wir vermackelt und versäumt haben, woran wir schwer zu tragen haben. – Und die kleinen Kerben stehen für wunde Stellen und Verletzungen!“

Und dann sagte sie: „Am Kreuz Jesu Christi ist alles, was unser Leben ausmacht, aufgehoben in der Liebe Gottes. Es steht für die offenen Armen, mit denen wir empfangen werden, in denen wir geborgen sind, egal, was ist!“

Für mich ist dieses Kreuz ein treuer Begleiter geworden. Ich habe es schon einigen Menschen geschenkt. Alle finden sich darin wieder. So oder so. Als spräche es für sich!

Die Last auf unseren Schultern

Er tut mir immer so leid, der Atlas! In der griechischen Mythologie ist er ein Riese, ein Titan. Von Zeus wurde er dazu verurteilt, das Himmelsgewölbe zu stemmen! Tag für Tag.

Wir sind auch oft überfordert mit dem, was wir zu tragen haben. Jede Mutter weiß, was gemeint ist. Jeder, der Verantwortung trägt, weiß das. Was liegt nicht alles auf unseren Schultern!

Eine wunderbare Osteopathin kümmert sich regelmäßig und mit viel Liebe um meinen Atlas-Wirbel! Wir sprechen über das, was mein oberer Rücken, mein Nacken ihr verrät! Wir sprechen über das, was schwer auf meinen Schultern liegt – und wie ich eventuell für Entlastung sorgen kann. Das tut gut!

In der Bibel gibt es eine wunderbare Einladung, das abzuladen, was drückt – nicht damit allein bleiben. Jesus sagt: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ (Matthäus 11,28).

Alles geschehe in der Liebe

Hochzeitstag! Kaum zu glauben: Seit 47 Jahren gemeinsam unterwegs. Wir haben viel erlebt: Glück und Enttäuschung, große Pläne und noch größere Sorgen, Gelingen und Engpässe, Läuse, Brüche und andere Katastrophen. Und dann dieses Foto, das mich so berührt: Der Ehering und das Herz. So drückt der fotografierende Mann an meiner Seite seine Liebe aus. Das tut gut!

Seit 47 Jahren singen wir jeden Morgen beim Frühstück: „All Morgen ist ganz frisch und neu des Herren Gnad und große Treu…“ (Evang. Gesangbuch Nr. 440) – „Wie langweilig“, mögen viele sagen. Aber das Lied verbindet uns in einem größeren Ganzen! Auch dann, wenn die Stimmung mal nicht stimmt, wenn lautstark geklärt werden muss: „Wie kann aus deiner Sicht der Dinge und meiner Sicht der Dinge ein gemeinsamer Weg für uns werden?“

„Alles geschehe in der Liebe“, heißt es in der Losung für 2024. Schmetterlinge im Bauch, romantische Abende, Mülleimer rausbringen, die gemeinsame Steuererklärung vorbereiten, Klo’s putzen, einander Freiräume schenken, die eigene Meinung nicht als die einzig mögliche sehen, Geschirrspüler ein- und ausräumen, die Macken des anderen ertragen, die Pubertät der Kinder – und unverständliche Entscheidungen auch! Zuhören, respektieren, sich versöhnen, mittragen, mehr sehen als die Macken, fiese Magen-Darm-Erkrankungen durchstehen …

Liebe ist größer als das mit den niedlichen Herzen. Sie gilt für „alles, was ist“. Zur Familie und zum Freundeskreis gehören sympathische, tolle, kreative Typen – und schwierige. In der Menschheitsfamilie warten große Herausforderungen auf uns. Im Umgang mit der Welt sowieso.

„Alles geschehe in der Liebe“. In der Liebe Gottes, die alles umfängt!

Von guten Mächten wunderbar geborgen

Die Erinnerungsfeier ist ein wertvolles Ritual in unserer Hospizgruppe. Wir denken an Menschen, die uns nahe waren – und deren Nähe und Liebe wir jetzt vermissen. Sie sind da in unseren Herzen und Köpfen, in vielen Geschichten, die wir erzählen.

Wir treffen uns im „Schafstall“, der zum Stift Obernkirchen gehört, zu einem Abend voller Emotionen. Die Trauer verbindet. „Kennst du das auch?“- Wir zünden ein Licht an für die Verstorbenen und nennen noch einmal ihre Namen – in der Hoffnung, dass sie jetzt im großen Licht und Frieden geborgen sind. „Du bist mein in Zeit und Ewigkeit“, das bleibt!

Ein Chor singt Lieder, die Tränen fließen lassen und etwas beschreiben, was über das Hier und Jetzt hinausreicht, über alles, was uns aufgegeben ist. Die Gemeinschaft tröstet und der eine oder die andere spürt etwas von dem, was Dietrich Bonhoeffer geschrieben hat: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und gang gewiss an jedem neuen Tag.“ (Evangelisches Gesangbuch, Nummer 65)

Es geht durch unsre Hände, kommt aber her von Gott …

Erntedank! In der Kirche (hier: St. Nikolai in Rinteln) gibt es eine Kostprobe von dem, was alles gewachsen ist. Ein Bild zum Verlieben! Bei allem, was an Früchten, schönen Dingen und Köstlichkeiten zu sehen ist, mag jede/jeder in Gedanken dazulegen, was sein/ihr Leben reich gemacht hat im vergangenen Jahr, wofür er/sie dankbar ist.

Alles Leben ist ein Geschenk. Jeder Herzschlag. Jeder Sonnenaufgang. Wertvolle Menschen an unserer Seite. Momente des Glücks. Glückliche Fügungen, oder die Erfahrung, dass Hilfe kam, als wir sie so nötig brauchten. Es macht die Größe und Vornehmheit eines Menschen aus, wenn er weiß: Das Leben ist ein Geschenk! Egal, wie sorgfältig ich geplant, gearbeitet und alles bedacht habe, ich habe nicht in der Hand, wie sich etwas entwickelt.

Ein Dank an die Landwirte. Der kommt oft zu kurz. Dabei sind sie doch unsere großen Landschaftsgärtner! Wenn wir Besuch haben bei uns im Auetal, kommt regelmäßig der Satz „Was ist das hier schön!“ – Die gelben Rapsfelder im Frühling. Frisch bestellte Äcker, auf denen die Saatrillen wie am Lineal gezogen sind. Felder mit Gerste und Weizen, mit Sonnenblumen, Lein und Mohn. Felder, die mit einem eleganten Schwung in die Wälder hineinragen. Eine wunderbare Kulturlandschaft.

Landwirten denken in Generationen, im besten Sinne „nachhaltig“. Ihr Arbeitsplatz ist ihr Zuhause, ihre Heimat, ihre Lebensgrundlage!

Gott und den Menschen sei Dank, heute am Erntedankfest. In ganz Deutschland feiern wir das. Mal sehen, wer uns nachher noch über den Weg läuft, wem wir etwas Freundliches sagen können. Danken macht schön und sympathisch.

Geh aus, mein Herz, und suche Freud

Ich mag das: Da ist einer, der staunen und schwärmen kann! Er kann sich nicht sattsehen an der Schönheit und Vielfalt der Welt, an den Wundern des Lebens. Bestimmt hat er ein beneidenswertes Naturell. Bestimmt ist ihm manches erspart geblieben, was mir im Laufe der Jahre die Leichtigkeit genommen hat!

Weit gefehlt. Paul Gerhardt, der Dichter des wohl beliebtesten Sommerliedes (Evangelisches Gesangbuch Nr. 503) hat 30 seiner besten Jahre im Krieg verbracht – in dem Krieg, der als der 30-jährige in die Geschichte eingegangen ist. Ich frage mich: Aus welchen Quellen hat dieser Mann gelebt, dass er so fröhlich singen kann bei allem, was er gesehen, erlitten und verloren hat.

„Geh aus, mein Herz!“ Paul Gerhardt lockt sich selbst in die Weite. Bleib nicht allein mit dir. Bleib nicht hängen bei deinen Grübeleien, deinen schlimmen Erfahrungen, deiner Angst. Gönn dir, für eine bestimmte Zeit mal etwas anderes zu sehen, zu hören und zu spüren. Geh raus. Beweg dich. Verlass das, was ist. Überlass es dem, der Zeit und Ewigkeit geschaffen hat. Du bist nie allein unterwegs. Über deinem Leben steht eine große, segnende Kraft, die wir Gott nennen.