Alles geschehe in der Liebe

Hochzeitstag! Kaum zu glauben: Seit 47 Jahren gemeinsam unterwegs. Wir haben viel erlebt: Glück und Enttäuschung, große Pläne und noch größere Sorgen, Gelingen und Engpässe, Läuse, Brüche und andere Katastrophen. Und dann dieses Foto, das mich so berührt: Der Ehering und das Herz. So drückt der fotografierende Mann an meiner Seite seine Liebe aus. Das tut gut!

Seit 47 Jahren singen wir jeden Morgen beim Frühstück: „All Morgen ist ganz frisch und neu des Herren Gnad und große Treu…“ (Evang. Gesangbuch Nr. 440) – „Wie langweilig“, mögen viele sagen. Aber das Lied verbindet uns in einem größeren Ganzen! Auch dann, wenn die Stimmung mal nicht stimmt, wenn lautstark geklärt werden muss: „Wie kann aus deiner Sicht der Dinge und meiner Sicht der Dinge ein gemeinsamer Weg für uns werden?“

„Alles geschehe in der Liebe“, heißt es in der Losung für 2024. Schmetterlinge im Bauch, romantische Abende, Mülleimer rausbringen, die gemeinsame Steuererklärung vorbereiten, Klo’s putzen, einander Freiräume schenken, die eigene Meinung nicht als die einzig mögliche sehen, Geschirrspüler ein- und ausräumen, die Macken des anderen ertragen, die Pubertät der Kinder – und unverständliche Entscheidungen auch! Zuhören, respektieren, sich versöhnen, mittragen, mehr sehen als die Macken, fiese Magen-Darm-Erkrankungen durchstehen …

Liebe ist größer als das mit den niedlichen Herzen. Sie gilt für „alles, was ist“. Zur Familie und zum Freundeskreis gehören sympathische, tolle, kreative Typen – und schwierige. In der Menschheitsfamilie warten große Herausforderungen auf uns. Im Umgang mit der Welt sowieso.

„Alles geschehe in der Liebe“. In der Liebe Gottes, die alles umfängt!

Von guten Mächten wunderbar geborgen

Die Erinnerungsfeier ist ein wertvolles Ritual in unserer Hospizgruppe. Wir denken an Menschen, die uns nahe waren – und deren Nähe und Liebe wir jetzt vermissen. Sie sind da in unseren Herzen und Köpfen, in vielen Geschichten, die wir erzählen.

Wir treffen uns im „Schafstall“, der zum Stift Obernkirchen gehört, zu einem Abend voller Emotionen. Die Trauer verbindet. „Kennst du das auch?“- Wir zünden ein Licht an für die Verstorbenen und nennen noch einmal ihre Namen – in der Hoffnung, dass sie jetzt im großen Licht und Frieden geborgen sind. „Du bist mein in Zeit und Ewigkeit“, das bleibt!

Ein Chor singt Lieder, die Tränen fließen lassen und etwas beschreiben, was über das Hier und Jetzt hinausreicht, über alles, was uns aufgegeben ist. Die Gemeinschaft tröstet und der eine oder die andere spürt etwas von dem, was Dietrich Bonhoeffer geschrieben hat: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und gang gewiss an jedem neuen Tag.“ (Evangelisches Gesangbuch, Nummer 65)

Es geht durch unsre Hände, kommt aber her von Gott …

Erntedank! In der Kirche (hier: St. Nikolai in Rinteln) gibt es eine Kostprobe von dem, was alles gewachsen ist. Ein Bild zum Verlieben! Bei allem, was an Früchten, schönen Dingen und Köstlichkeiten zu sehen ist, mag jede/jeder in Gedanken dazulegen, was sein/ihr Leben reich gemacht hat im vergangenen Jahr, wofür er/sie dankbar ist.

Alles Leben ist ein Geschenk. Jeder Herzschlag. Jeder Sonnenaufgang. Wertvolle Menschen an unserer Seite. Momente des Glücks. Glückliche Fügungen, oder die Erfahrung, dass Hilfe kam, als wir sie so nötig brauchten. Es macht die Größe und Vornehmheit eines Menschen aus, wenn er weiß: Das Leben ist ein Geschenk! Egal, wie sorgfältig ich geplant, gearbeitet und alles bedacht habe, ich habe nicht in der Hand, wie sich etwas entwickelt.

Ein Dank an die Landwirte. Der kommt oft zu kurz. Dabei sind sie doch unsere großen Landschaftsgärtner! Wenn wir Besuch haben bei uns im Auetal, kommt regelmäßig der Satz „Was ist das hier schön!“ – Die gelben Rapsfelder im Frühling. Frisch bestellte Äcker, auf denen die Saatrillen wie am Lineal gezogen sind. Felder mit Gerste und Weizen, mit Sonnenblumen, Lein und Mohn. Felder, die mit einem eleganten Schwung in die Wälder hineinragen. Eine wunderbare Kulturlandschaft.

Landwirten denken in Generationen, im besten Sinne „nachhaltig“. Ihr Arbeitsplatz ist ihr Zuhause, ihre Heimat, ihre Lebensgrundlage!

Gott und den Menschen sei Dank, heute am Erntedankfest. In ganz Deutschland feiern wir das. Mal sehen, wer uns nachher noch über den Weg läuft, wem wir etwas Freundliches sagen können. Danken macht schön und sympathisch.

Geh aus, mein Herz, und suche Freud

Ich mag das: Da ist einer, der staunen und schwärmen kann! Er kann sich nicht sattsehen an der Schönheit und Vielfalt der Welt, an den Wundern des Lebens. Bestimmt hat er ein beneidenswertes Naturell. Bestimmt ist ihm manches erspart geblieben, was mir im Laufe der Jahre die Leichtigkeit genommen hat!

Weit gefehlt. Paul Gerhardt, der Dichter des wohl beliebtesten Sommerliedes (Evangelisches Gesangbuch Nr. 503) hat 30 seiner besten Jahre im Krieg verbracht – in dem Krieg, der als der 30-jährige in die Geschichte eingegangen ist. Ich frage mich: Aus welchen Quellen hat dieser Mann gelebt, dass er so fröhlich singen kann bei allem, was er gesehen, erlitten und verloren hat.

„Geh aus, mein Herz!“ Paul Gerhardt lockt sich selbst in die Weite. Bleib nicht allein mit dir. Bleib nicht hängen bei deinen Grübeleien, deinen schlimmen Erfahrungen, deiner Angst. Gönn dir, für eine bestimmte Zeit mal etwas anderes zu sehen, zu hören und zu spüren. Geh raus. Beweg dich. Verlass das, was ist. Überlass es dem, der Zeit und Ewigkeit geschaffen hat. Du bist nie allein unterwegs. Über deinem Leben steht eine große, segnende Kraft, die wir Gott nennen.

Muttertag

Im Rintelner Museum gibt es eine Sonderausstellung zur Künstlichen Intelligenz. Erstaunt stehst du da und siehst, was im digitalen Bereich demnächst alles möglich sein wird. Malen, Komponieren, Texten, Predigten schreiben, Häuser entwerfen …

Und bei allem Staunen frage ich mich: Wo bleibt der Mensch? Zum Glück bleibt Gott dabei, seine Welt zu betreiben, indem er Frauen auserwählt und begabt, Leben und Liebe weiterzugeben, von Generation zu Generation. Ganz normalen Frauen wie uns traut er das bis heute zu – und weiß bestimmt sehr genau, was da alles passieren kann.

Ja, wir haben besondere Gene mitbekommen. In uns ereignet sich der erste Herzschlag eines Kindes. Ein Wunder! Wir stillen das Kind. Bei Fieber machen wir Wadenwickel und trösten beim ersten Liebeskummer. Und nachts liegst du wach, wenn das Kind mit dem Auto unterwegs ist.

Gott bleibt dabei: Trotz künstlicher Intelligenz sollen es die Mütter sein, die das Leben weitergeben. Egal, wie unvollkommen und störanfällig dieser Plan ist. Unsere Gesellschaft braucht ein Klima, in der Mütterlichkeit eine entscheidende Rolle spielt: Zusammenhalt, Geborgenheit, Fürsorge, Wärme und Verständnis. Von sich selbst sagt Gott: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet!“

Reden und reden lassen

Das Frühstücksbuffet war vom Feinsten. Alles selbst gemacht von den Frauen der Kirchengemeinde Hille. „Über reden und reden lassen“ durfte ich sprechen. Ein Thema, das uns alle betrifft. Wie wir mit anderen Menschen im Gespräch sind, das entscheidet darüber, wie unsere Beziehungen zu den Menschen aussehen.

Worte wirken. Sie können wohltun und wehtun. Sie können beflügeln und kränken, ermutigen und verunsichern. Sie können Klärungen schaffen und Missverständnisse in die Welt setzen, Nähe schaffen und Distanz. Worte haben eine große Macht. Sie können sogar Kriege auslösen.

Alle reden, aber Kommunikation ist eine hohe Kunst. Das aufmerksame Zuhören ist ebenso wichtig wie das Sprechen. Auf den Tonfall achten. Echt sein. Es gibt einen Satz, für den bin ich einer lieben Freundin bis heute dankbar: „Sprechenden Menschen kann geholfen werden!“

Und dann war da die Frühlingswiese vor der Kirche! Es rührt uns immer wieder an, was in der Natur geschieht. Da blüht etwas, wo alles wie vertrocknet erschien. Neues Leben bricht auf. Es ist eine Hilfe, um etwas zu ahnen, was kein Mensch verstehen und kann: Auferstehung ist möglich!

Ich stelle mir vor, dass wir den Schatz unserer Worte („Wortschatz“) wieder neu entdecken und mit Leben füllen!!

Gelassenheit

Feierabend! Es ist genug für heute! – Ja, ich weiß, es gäbe dies und das noch zu tun, aber für heute ist Schluss. Die Herausforderungen in unserer großen und kleinen Welt sind allemal größer als das, was wir an Kraft und Möglichkeiten zur Verfügung haben.

Ich habe getan, was ich konnte und jetzt bete ich: „Nimm, was ich getan und nicht getan habe, was ich gesagt und nicht gesagt habe, was ich geschafft und versäumt habe – und mach was draus. Vollende du, was ich nicht vollenden konnte!“

Wer weiß, was da alles geschieht zwischen Himmel und Erde, während wir Feierabend haben oder schlafen. Vielleicht öffnet Gott Herzen und Türen – und bewegt etwas in den Menschen, die wir nicht erreichen konnten. Vielleicht schickt er uns überraschende Einsichten!

„Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden!“ (Friedrich Christoph Oetinger)

Die Welt mit neuen Augen sehen

Du siehst die Welt wie durch einen Grauschleier. Nicht von heute auf morgen. Eher schleichend. „Was ist los, Mama?“, fragen die Kinder. Ja, was ist los? Da liegt ein Nebel über allem, was ich sehe. Die Ärzte sprechen vom Grauen Star.

Wie gut, dass die Medizin helfen kann. Eine Kunstlinse wird eingesetzt. Am Tag nach der OP wird der Verband abgenommen. Das ist ein Moment, der staunen lässt. Ein Wunder! Du siehst die Welt mit neuen Augen!

Ich frage mich seitdem: Kann es sein, dass die Welt immer noch ganz anders ist, als ich sie sehe, dass die Menschen noch ganz anders sind, als ich sie sehe? Kann es sein, dass Gott ganz anders ist? Unserem Denken und Verstehen eine Ewigkeit voraus. Größer, geheimnisvoller, kraftvoller?

„Du bist ein Gott, der mich sieht“. So steht es in der Bibel. Womöglich sieht Gott uns ganz anders, als wir selbst uns sehen, begegnet uns mit einer Liebe, die Würde gibt, mit Wohlwollen. Das würde uns staunen lassen!!

Unter einem guten Stern

Nikolai-Kirche in Rinteln

In einer Lichterprozession zu Epiphanias folgten wir dem Stern der drei Weisen aus dem Morgenland. Eine gute Idee! Mehr gehen als sitzen. Das Licht in die Welt bringen. Hellmacher werden. An vier Stationen rund um die Nikolai-Kirche in Rinteln erwarteten uns Lesungen, Meditationen und Lieder. – Neben vielen Wünschen, die uns derzeit bewegen, ist dieser wohl ein besonderer: Unser Leben möge „unter einem guten Stern“ stehen. Das wünschen wir für die Welt und für unsere persönlichen Lebensräume. Unterwegs sein mit Gott an unserer Seite möge uns Halt und Orientierung schenken, ein neues Denken und Miteinander!

Nach der Prozession ging es zu Gottesdienst und Neujahrsempfang in die Kirche. Superintendent Christian Schefe zitierte einen kleinen Satz, den er „die wohl kürzeste Weihnachtspredigt“ nannte: „Mach’s wie Gott, werde Mensch!“ (Zitat von Phil Bosmans).

„O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Himmlische Heere jauchzen dir Ehre: Freue, freue dich, o Christenheit!“

Du bist ein Gott, der mich sieht

„Sawubona, liebe Heidrun“, so beginnt ein Weihnachtsbrief, den ich immer wieder gern zur Hand nehme. Da sagt einer nicht „Hallo“ oder „Moin“. Er wählt eine Anrede, mit der man sich im Stamm der Zulu begrüßt. „Sawubona“ bedeutet: „Ich sehe dich“. Ich nehme dich wahr. Ich schaue dir in die Augen. In deinem Gesicht gibt es viel zu lesen. – Wie schön, wenn einer genauer hinschaut!

In diesem Jahr heißt die Jahreslosung: „Du bist ein Gott, der mich sieht!“ – Dahinter steckt eine spannende Geschichte. Sara kann keine Kinder bekommen. Das war ihrerzeit eine Tragödie, für sie selbst und für die Sippe. Was tun? Sie ermuntert ihren Gatten, den Abraham, die Magd Hagar als Ersatzmutter seiner Nachkommen zu wählen. Die Zukunft muss gesichert werden, das hat Priorität!! Wahrscheinlich hatte Sara nicht damit gerechnet, dass solche Dreiecksbeziehungen ein hohes Konfliktpotential in sich tragen. Sich minderwertig oder ausgenutzt fühlen. Eifersüchtig sein und hassen, sich piesacken und verletzen …. Sara schickt Hagar in die Wüste, ganz weit weg! Das Zusammenleben war unerträglich!

In der Wüste, ohne Zukunft und Kraft, ganz am Ende, kommt ein Engel – am Brunnen des Lebendigen – wie auch immer! Er erinnert Hagar daran, dass sie doch guter Hoffnung ist, das Kind in ihrem Bauch ist deutlich spürbar!! Hagar hat erfahren: „Du bist ein Gott, der mich sieht!“ – Wüstenzeiten! Die Wüste muss nicht Sahara oder Gobi heißen, auch im Schaumburger Land wissen wir, was gemeint ist: Traurig und erschöpft sein. Wenig Lebe-Lust, viel Kummer. Blöde Sachen im Gepäck.

„Du bist ein Gott, der mich sieht!“ – Das tut gut. Du siehst uns zwischen „Trial and Error“, Wunsch und Wirklichkeit. Du siehst, womit wir uns quälen, die Welt vorm Infarkt. – „Du bist ein Gott, der mich sieht!“ Der du in der Raupe den Schmetterling sieht, sieht wohl auch in mir schon manches, was da schlummert, das durch Liebe geweckt werden kann. Du holst uns nicht raus aus dem, was ist – aber du bist an unserer Seite.