Es ist ein alter Brauch, am Barbara-Tag Zweige von einem Kirschbaum abzuschneiden. Man stellt sie in lauwarmes Wasser und sucht für die Vase einen hellen, nicht zu kalten Platz im Haus. Wenn die Zweige regelmäßig frisches Wasser bekommen, werden sie am Weihnachtstag blühen.
Dieses Ritual tut gut, wenn es draußen kalt ist, wenn der Wind ums Haus fegt und uns der Winter-Blues erwischt. – Wir ahnen: Da ist etwas im Gange, gegen allen Augenschein: Schau hin, fühl hin! Da blüht etwas auf, das längst erstorben schien.
Wer am Barbara-Tag Zweige vom Kirschbaum schneidet, der ist ein Hoffnungsmensch, und davon kann unsere Welt nie genug haben.
Eine alte Legende erzählt von der Heiligen Barbara, die von ihrem Vater in einen Turm gesperrt wurde. Barbara war klug und hübsch und der Vater meinte, er müsse sie abschirmen vor Männern und fremden Einflüssen. Als Barbara den christlichen Glauben als Kraft und Halt für sich entdeckte, war der Vater zornig. Er tobte. Seine „Liebe“ (oder das, was er dafür hielt) schlug in Hass und Eifersucht um. Das ging soweit, dass er Barbara in Gefängnis werfen ließ und tötete! – Auf dem Weg ins Gefängnis verfing sich Barbara’s Kleid an einem Kirschenzweig. Sie brach den Zweig ab und stellte ihn im Gefängnis in ein Wasserglas. Und? An dem Tag, an dem sie hingerichtet wurde, blühte der Zweig. So die Legende!
Wir kennen Geschichten von Menschen, die kleingehalten werden, deren Flügel beschnitten worden sind, in deren Leben etwas erstarrt ist. Der Barbara-Zweig ist ein Zeichen der Hoffnung. Etwas Neues ist möglich. Menschen, die verstummt waren, finden neue Worte. Menschen, die sich nichts zutrauten, wagen etwas. Menschen, die unter Druck standen und sich verbogen haben, entdecken eine nie geahnte Gelassenheit. – Ich bin gespannt!
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