Heidi Kabel ist ein Teil meines Lebens. Solange ich denken kann, haben wir nur selten eine Fernseh-Übertragung aus dem Hamburger Ohnsorg-Theater verpasst. Heidi Kabel war eine große Menschendarstellerin, beherrschte die ganze Bandbreite zwischen Lachen und Weinen, großen Gefühlen und kleinen Nickeligkeiten.
Sie spielte mit Herz, wie das Leben so ist. Resolut, überkandidelt, couragiert, schrullig, verlogen, schusselig, bauernschlau. Sie war Klatschbase, Hausdrachen, Intrigantin, die traurige Mutter Klasen – und zeigte, dass hinter der Außenseite des Menschen noch etwas ganz anderes schlummert.
Heidi Kabel gehörte zu der Generation, die gelernt hat, dass man keine Gefühle zeigt und möglichst alles mit sich selber ausmachen soll. 1970 stand sie in dem Stück „Suuregurkentied“ auf der Bühne, als sie in der Pause die Nachricht vom Tod ihres Mannes erhielt. Was machte sie? Sie spielte weiter… Frauen ihres Alters haben den Kampf ums Überleben gelernt – und die Kunst der Improvisation: aus dem etwas zu machen, was das Leben uns zur Verfügung stellt.
Aus ihrem Mund stammen Sprüche wie: „Nee, ich bin nie auf die Idee gekommen, mich selbst zu verwirklichen. Dazu hatte ich keine Zeit.“ „Ich habe immer versucht, mit Anstand zu leben, was mir mein Schicksal vorgegeben hat.“
Am 15. Juni ist Heidi Kabel im Alter von 95 Jahren gestorben. Bei der Trauerfeier im Michel trug ihre Tochter das niederdeutsche Gedicht „Harvst“ von J.H. Fehrs vor, das Heidi Kabel sehr liebte. Darin heißt es: „To’t Leven höört de Dood, so will’t de leve Gott, wi sünd als Bläder op en Boom, dat Leven is en Sommerdroom, vull Radels bet to Enn, vull Radels bet to Enn.“
Kein Mensch hat mich so oft zum Lachen gebracht wie Heidi Kabel. Sie hatte das Herz am rechten Fleck, ist für mich eine wunderbare, starke Frau, ein Vorbild in Sachen „Lebenskunst“. Ich freue mich schon jetzt auf die nächste Wiederholung vom „Tratsch im Treppenhaus“ – und habe einen Rittersporn in den Garten gepflanzt, ihre Lieblingsblume.