Er war nicht zimperlich mit seiner Schere! Obstbäume wurden professionell geschnitten, Forsythien und Haselnuss um die Hälfte gekürzt…. Ich wurde ganz unruhig! Und dann standen wir vor der extrem blühfreudigen „Sylter Dünenrose“, die in diesem Jahr geschwächelt hatte. „Die braucht einen Pflegeschnitt“, sagte Gärtner Frank. „Alles, was trocken, schwach oder zu dicht ist, schneiden wir raus!“ Au weia! Ich bin eine zögerliche Schneiderin, könnte ja etwas verletzen. „Du wirst es erleben: Im nächsten Jahr kommt da wieder Licht und Luft dran und die Rose blüht schöner als je zuvor!“ – Das ist wahrscheinlich wie im „wirklichen Leben“, dachte ich! Ab und zu müssen wir auslichten, Platz schaffen, uns vom Alten trennen, die Sonne reinlassen!“ Also schnitten wir zu zweit!
Heute stehe ich vor dem Kirschbaum. Normalerweise wird der gleich nach der Ernte beschnitten. Aber zwei Zweige wird er mir auch jetzt genehmigen. Es ist Barbara-Tag. Wir denken an ein hübsches, kluges, frommes Mädchen, das einen krankhaft eifersüchtigen und verbohrten Vater hatte. Er ließ seine Tochter einsperren! – Auf dem Weg in den Turm hatte sich das Kleid des Mädchens in einem trockenen Zweig verheddert. Barbara nahm den abgebrochenen Zweig mit und stellte ihn in einen Becher. Und? Am Tag ihrer Hinrichtung blühte er! – So nehmen wir Zweige mit ins warme Haus und stellen sie in Wasser – und hoffen im Advent, dass das Unmögliche möglich wird!
Da ist schon Leben in den Zweigen, die aussehen wie tot. Uns wird etwas blühen. Neues Leben nimmt Anlauf. Der Gärtner kann 1000 Geschichten erzählen von diesem Wunder. Und ich möchte es für diese Welt und ihre Menschen glauben: Da ist was im Kommen, gegen allen Augenschein.
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