„Du bist schön!“ -12. Dezember
Zu Beginn eines Seminars gibt es meistens eine Vorstellungsrunde, wenn es gut geht, mit originellen Ideen. Einmal war die Aufgabe, sich 5 Minuten lang mit jemand zu unterhalten, um ihn dann im großen Kreis vorzustellen. Da sagt die Frau, die mich vorstellt: „Deine Figur möchte ich gerne haben!“ – Ich vergesse zu atmen und denke, das kann jetzt nicht wahr sein. Weiß sie denn nicht, wie ich damit hadere? – Spontan fällt mir die Kabarettistin Frieda Braun ein: Es Viola hat gesagt: „Frieda, du bist schön!“ Und du siehst dieses Mäuschen von Frieda auf der Bühne, die das beim besten Willen nicht glauben kann. Herrlich!
Es gibt eine Eigenwahrnehmung – so, wie wir selbst uns sehen. Es gibt eine Fremdwahrnehmung – so, wie andere uns sehen. Und das ist nicht immer deckungsgleich.
„Tante Emma sitzt wieder in ihrem Zimmer und nimmt übel.“ Diesen Satz habe ich aus dem reichen Erfahrungsschatz einer LandFrau. Tante Emma sagt: „Keiner kümmert sich um mich, alle denken nur an sich. keiner sieht und würdigt, was ich für ein schweres Leben habe!“ Das ist ihre Sicht. Die anderen sehen eine in Selbstmitleid badende, egoistische, launische, fordernde und ständig unzufriedene Frau.
Ich denke an eine Bekannte. Nach außen macht sie den Eindruck, als hätte sie alles im Griff. Sie vermittelt eine beneidenswerte Stärke mit einem Hauch von Perfektionismus. Alles ist tipp topp. Sie selbst empfindet, dass sie nicht liebenswert ist und dass es immer zu wenig ist, was sie leistet, „ungenügend“.
„Du bist teuer in meinen Augen und herrlich, ich habe dich lieb!“ – So denkt Gott von seinen Menschen. In solch eine Zuneigung möchte man doch glatt mit seiner Selbstwahrnehmung hineinwachsen. Die Adventszeit bietet sich dafür an.