15. Dezember – Nah und fern

Uns trennten 250 m Luftlinie. Bei Gartenfesten haben wir uns einige Male getroffen. Meistens trug er seinen Texashut. Er spielte Gitarre und Mundharmonika. Ein stiller, feiner Mann mit einem weiten Horizont und großer Liebe zum Leben. Wie gern hätte ich seinen Garten noch besucht!

Im Nachruf (Schaumburger Zeitung) lese ich, dass er seit den 60er Jahren zum Urgestein der deutschen Rockmusik gehörte: Blues, Reggae und Soul. In Indien hat er die Querflöte für sich entdeckt, in Amerika hat er beim Clearwater Festival am Hudson River von einem befreundeten Indianer seinen Künstlernamen bekommen: White Man Molle! – Bis 2019 spielte er in verschiedenen Bands – immer in der 1. Liga. Ein wunderbarer Mensch, an den sich Musiker und Zuhörer gern erinnern.

Obwohl er nur ein paar Häuser weit entfernt wohnte, habe ich wenig von ihm gewusst, nicht geahnt, welcher Schatz in dem kleinen Eckhaus wohnte, das mir seit der Kindheit vertraut ist. – Wie oft mag das so sein, dass wir nur die Außenseite eines Menschen kennen! Wir wissen nicht, wofür er sich begeistert, was ihn geprägt hat, wie er über Gott und die Welt denkt, welches Licht in ihm leuchtet. Wir wissen nicht, was ihm Kummer bereitet, was Spuren hinterlassen hat in seinem Herzen, was er vermisst, womit er kämpft.

Wir können einander nahe sein und gleichzeitig fern bleiben. Wir können voneinander entfernt leben und gleichzeitig sehr nahe sein. Daran hat mich White Man Molle erinnert, auch an den Satz „Der Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an!“