Einen herzlichen Dank an Lektorin Irmtraud Brendel aus der St. Nikolai – Gemeinde in Rinteln. Sie hat eine sehr ansprechende Andacht zum Sonntag Okuli gestaltet und lässt uns auf diesem Wege daran teilhaben.
„Mensch, wo hast du denn bloß deine Augen?“, fragte mich mein Mann. Wir gingen durch den Garten und ich sah nach oben, weil ich einen Vogel singen hörte und wissen wollte, wo er saß. Dabei stolperte ich über einen Ast und konnte mich gerade noch am Arm meines Mannes festhalten. Er war darüber so erschrocken, dass er ausrief: „Mensch, wo hast du denn bloß deine Augen?“ Alles war noch mal gutgegangen. Den Vogel habe ich dann nicht mehr gesehen, nur noch ab und zu gehört, aber ich guckte jetzt ja auch wieder auf den Weg und achtete auf die Stolperfallen.
„Okuli“, heißt dieser Sonntag. „Augen“ heißt das übersetzt. Im Psalm 25 steht: „Meine Augen sehen stets auf den Herrn!“ (Psalm 25,15). Bei allem, was ich tue, was ich sage, was ich denke, habe ich immer Gott im Blick und vor Augen, so verstehe ich das. Denn dann, so meint dieser Psalm, hast du ein gutes Ziel vor Augen. Das wird dir helfen, wenn du in deinem Leben stolperst oder dich verläufst. Und dann hast du auch jemanden an deiner Seite, der dich auffängt, wenn du zu fallen drohst. Das passiert ja nicht nur bei Spaziergängen, sondern in jedem Leben.
Wo siehst du hin? Woran orientierst du dich in deinem Leben? Was bestimmt deinen Weg?
Die Corona-Pandemie hat ja indirekt auch manches Gute. Zum einen sehen wir nun klar, dass wir Menschen miteinander verbunden sind. Das, was in Wuhan in China passierte, hat Auswirkungen auf die ganze Welt. Wir sind als Menschheit ganz eng miteinander verwoben, gerade auch in dieser schweren Zeit.
Zum anderen zeigt sich: Unser Leben läuft nicht mehr so hektisch wie früher. Ich weiß, viele sehnen sich nach dem normalen Leben zurück. Das tue ich auch. Und doch ist diese Zeit eine Chance, um verstärkt zu fragen: Woran will ich mich orientieren?
Es ist natürlich möglich, wenn denn die Pandemie vorbei ist, wieder zum alten Lebensstil zurückzukehren. Aber ich glaube, das ist nicht gut. Nicht gut für die Schöpfung, die Gott uns anvertraut. Nicht gut für die Menschen, mit denen wir weltweit verbunden sind. Nicht gut für die Menschen, die nach uns kommen werden.
Es ist eben nicht einerlei, woran ich mein Leben orientiere. Es hat immer Auswirkungen auf mich und andere. Und es zeigt sich daran, wie wir miteinander umgehen.
Ihr seid Gottes geliebte Kinder! So steht es im Brief an die Epheser… Und als seine Kinder sollen wir Gott und seine Liebe ständig im Blick haben. Es ist wichtig, wenn wir uns in der Kirche „Schwestern und Brüder“ nennen. Denn so hat Jesus es gesagt: Wer Gottes Willen tut, der ist ihm Bruder und Schwester. (Markus 3, 31-35) …
Weil Gott anders mit uns umgeht, liebevoll nämlich, sollen wir es eben auch tun. Die Menschen sollen Christen als Boten seiner Liebe erleben. Sie sollen spüren: Hier herrscht ein anderer Geist als in der Welt. Hier ist Gottes Geist zu spüren. Das, liebe Schwestern und Brüder, ist unsere Aufgabe. Und die ist nicht leicht.
In diesen Wochen der Passionszeit denken wir besonders an das Leiden Jesu. Jesus zeigt uns, wie tief Gottes Liebe reicht. Sie gibt ihm Kraft, durch Verrat, Einsamkeit und Tod zu gehen. Aber der Tod ist nicht das Ende. Am Ende steht der neue Anfang, steht Ostern, steht die Auferstehung Jesu. Seit Ostern sehen wir das Licht Gottes, das in die Welt scheint. Es macht sogar die finsterste Finsternis des Todes hell.
„Mensch, wo hast du denn bloß deine Augen?“ Die Frage meines Mannes nehme ich als Anfrage an uns. Wo sehen wir hin? Woran orientieren wir uns in unserem Leben?
Dieser Sonntag lädt uns ein, auf Gottes Liebe zu sehen. Damit wir es gut haben und eben nicht stolpern.